Wednesday, November 8, 2017

Julian Assange - The Detained Discloser






Julian Assange and WikiLeaks supporters dream of a world of ‘radical transparency’. This is where information is freely accessible, and governments and corporations do not hide the truth from the public. However, what the Domscheit-Berg/Assange drama clearly shows is that free access to information is not enough to create a ‘free’ world. Information is merely the surface of the system. 
http://22cplus.blogspot.ch/2011/09/intuitive-review-inside-wikileaks.html


Wednesday, July 27, 2016

Mein Tag als investigativer Shiatsu-Journalist



von David J. Putnam 


Mein Tag fängt früh an, vor Sonnenaufgang. Ein portugiesischer Geschäftsmann, der  früher bei mir Deutschunterricht nahm, hat mir das Buch von Laura Vanderkam ("What successful People do Before Breakfast") empfohlen. Und ich versuche den Rat seitdem umzusetzen. Es geht dabei nicht darum, sich zum Workaholic zu pushen. Nein, im Leben geht es um ein Gleichgewicht zwischen Aktivität und Ruhe, Wach und Schlaf, Realität und Verträumtheit. Man fängt nicht mit irgendeiner Arbeit in den friedlichen Morgenstunden an. Es geht um den "grossen Plan", um Meditation, um eine Kalibrierung auf seine ganz persönliche Vision, um Präzision und die konkreten nächstliegenden Schritte, aber auch um Dankbarkeit für Vergangenes und Präsentes, Vorfreude auf Bevorstehendes und Mut. Ganz am Anfang geht es vor allem um psychosomatische Gesundheit und zentriertes In-Sich-Ruhen.


Ich wache also auf und starte mit einer anregenden Tanzmusik, z. B. aufheiternder Bollywood-Musik, singe mit und schwinge meine Hüften dazu. Mit einem Tee oder einem Kaffee und etwas Appetitlichem bringe ich meine Verdauung in Schwung und geniesse vielleicht noch eine warme Dusche.

Jetzt bin ich voll aufgewacht und bereit, meinen interessanten, abwechslungsreichen Arbeitstag zu starten. Im Zug zur Arbeit oder zum nächsten Interview (meine Spezialität!) lese ich über das internationale Tagesgeschehen, aber nicht von den seichten Gratis-Junk-Zeitungen, sondern von den kultiviert-informierten Hintergrundjournalisten und Bloggern. Es herrscht im Moment ein hart umkämpfter "Informationskrieg" in der internationalen und nationalen Medienlandschaft und ich weiss, dass ich als kritisch-denkender, akademischer, multi-kultureller Investigativ-Journalist eine grosse Verantwortung übernehme, um meine Leserschaft weiterzubilden und aufzuklären, damit sie im demokratischen Entscheidungsprozess weitsichtig handeln können. Ungerechtigkeiten und Unwahrheiten müssen früh erkannt werden. Keine Tabus gehören in eine moderne aufgeklärte Gesellschaft, wo die Redefreiheit zu den wichtigsten Stützpfeilern gehört. Der Journalist verkörpert sozusagen die Redefreiheit und muss dazu noch alles wie ein Wissenschaftler beweisen oder transparent halten (z. B. die Quellen offenlegen). Es gibt die Ausnahme der immer wichtiger werdenden Whistleblower, die möglichst lange beschützt werden müssen.

Beim Journalisten-Hollywoodfilm "Spotlight", der 2015 mit dem Oscar für den besten Film ausgezeichnet wurde, geht es gerade um diese Thematik der Zivilcourage bei institutionellem Machtmissbrauch. Jahrzehnte lang wurden die pädophilen Übergriffe von katholischen Priestern totgeschwiegen. Als letzte Hoffnung bleibt den Opfern oft nur noch eine vollständige Offenlegung über die Massenmedien, um eine moralische Genugtuung zu erlangen und den Teufelskreis von Machtmissbrauch zu brechen. Mutige, nonkonformistische, unbestechliche Journalisten wie Bob Woodward/Daniel Ellsberg/Julian Assange/Glenn Greenwald, die gegen jede Art von Korruption kämpfen, bleiben für mich absolutesVorbild. Sie übernehmen die Pflicht, die mundtot gemachten Opfer eines korrupten Systems wiederzubeleben.


Da mein Vater Amerikaner, meine Mutter aber Schweizerin ist, und ich mich seit meiner Geburt mit Japan und Japanologie beschäftige, sehe ich gerade aus der sicheren fernen Schweizer Warte die momentan sich verschlechternde politische Lage im Ausland. In den USA werden unabhängige, basisdemokratische Aktivsten-Politiker wie Bernie Sanders in den Massenmedien diskriminiert (diskreditiert) und korrupte alteingesessene Politiker wie Hillary Clinton oder skrupellose, aber lustige Politiker wie Donald Trump als Siegerfiguren in Szene gesetzt.



Nach meiner anstrengenden, aber sehr erfüllenden Tätigkeit als Journalist und Blogger, bei der ich mit einem weitsichtigen, vielfältigen und originellen Stil meine Leserschaft immer wieder überraschen und begeistern kann, komme ich am Nachmittag - in meiner heiligen Shiatsu-Praxis - langsam wieder zur Ruhe. Vor meiner Heil-Praxis-Tätigkeit meditiere ich und reflektiere nochmals über mein ganzes Leben, von Mikro- zu Makro-Dingen, von persönlichen Problemen bis zu Umweltproblemen und erwäge verschiedene Lösungsansätze.


Meinen persönlichen Shiatsu-Massagen-Stil habe ich in 2015 in der Shiatsu-Schule "Kô" entwickelt. Ich kombiniere dabei meine Shiatsu-Drucktechniken mit Zen-Meditation und schamanistischer Trance-Heilung. Dieser zweite Teil meiner Tätigkeit erfüllt mich wieder mit Herz- und Körperenergie und gleicht meine Kopfarbeit am Vormittag aus. Diese wichtige Work-Like-Balance wird bis an mein Lebensende wichtig bleiben.




 

Es gibt aber noch einen dritten wichtigen emotionalen Teil von Arbeit: die Familienarbeit, die einem manchmal auch vor einer Zerreissprobe stellt. Da meine Frau und mein bald vierjähriger Sohn aus Japan kommen und bis April 2016 meistens in Japan gelebt haben, musste ich ihnen bei der Eingewöhnung ins Schweizer Leben kräftig mithelfen. Wichtig bei diesem Prozess ist es Ruhe zu bewahren und geduldig zu sein. Jeder findet einen anderen Zugang ins neue Leben. Für einige gelingt der Spracherwerb leichter, für meine Familie aus Japan, die nicht nur eine andere Schrift pflegt, sondern sich auch eine konträre Denkweise angeeignet hat, geht es vielleicht etwas langsamer. 

Doch wichtig ist, bei allem positiv und vorwärtsgerichtet zu bleiben und an sich zu glauben. 




 

Wednesday, July 13, 2016

Was alles hinter der Idee "Empowerment" steckt


von David J. Putnam


Der Begriff "Empowerment" (dt.: Ermächtigung) gilt seit der afroamerikanischen Befreiungsbewegung der 1960er Jahre zum allbeliebten Schlagwort schlechthin. In den 1980er Jahren wurde der neue anti-hierarchische Bottom-up-Ansatz von der Entwicklungszusammenarbeit, vom Gesundheitswesen, aber auch von der Managementliteratur in Beschlag genommen, wobei seine revolutionär politische Dimension immer mehr in Vergessenheit geriet. Der Bottom-up-Ansatz soll nur lokal oder am liebsten nur innerpsychisch bleiben. Die ganze kapitalistisch-geordnete Hierarchie soll ja nicht ins Wanken kommen. Die Weltbank z. B. verwendete 2005 das Wort “Empowerment” inflationär in mehr als 1800 Armutsreduktionsprojekten. Was steckt aber wirklich hinter diesem Konzept und wirkt es wirklich?

Marxistischer Ursprung

Bevor wir uns an eine Definition von Empowerment annähern, werden wir einige Aktivisten und Theoretiker dieses neuen Ansatzes kennenlernen, der immer mit einem bestimmten Menschen- und Weltbild zusammenhängt. Dabei beeinflusst der zeitliche und örtliche Kontext immer die Bedeutung dieses schwer zu übersetzenden, schwammigen Modewortes. Die vielen Definitionen und Umschreibungen von Empowerment spiegeln immer den Zeitgeist oder die Persönlichkeit des jeweiligen Theoretikers.

 Paulo Freire (1921-1997)

Eine wichtige Inspirationsquelle für den Grundgedanken des "Empowerment" erkennt man beim marxistischen, brasilianischen Befreiungspädagogen Paulo Freire. Seine Befreiungspädagogik ist aus der südamerikanischen Befreiungstheologie entstanden, bei der es darum geht, den Armen ihre Stimme zurückzugeben und sie vor Ausbeutung, Entrechtung und Unterdrückung zu befreien.

In Freires Buch "Pädagogik der Unterdrückten" (1968) geht es um Alphabetisierungs- und allgemeine Bildungskampagnen für „Unterdrückte“, die zur Selbstreflexion anregen. Dadurch wird ein Bewusstsein für soziale und politische Ungerechtigkeiten entwickelt. Wenn man nicht ständig selbst an diesem „erweiterten Bewusstsein“ arbeitet, wird man immer Opfer des Status Quo bleiben.

Für Freire ist der Mensch dazu noch ein Dialogwesen. Im Dialog kann Reflexion entstehen, was im Idealfall reflektierte Aktionen auslöst. Wenn zu viel Tatendrang ohne Reflexion an den Tag gelegt wird, entsteht „Aktionismus“. Es mangelt an einer Absprache mit den unterdrückten Opfern. Wenn aber nur grosse Worte gepredigt werden, ohne den Schritt zur Handlung zu starten, bleibt man im „Verbalismus“ stecken. Empowerment wird zur leeren Worthülse.

Empowerment in den Slums

Wenn man wirklich aus tiefster Seele an bessere Alternativen glauben lernt, öffnen sich früher oder später Türen und Möglichkeiten. Mit dem Buch "Black Empowerment: Social Work in Oppressed Communities" (1976) der afroamerikanischen Sozialarbeiterin Barbara B. Solomon wurde der Empowerment-Begriff in einer lokalen Weise geprägt, die nicht mehr eine Weltrevolution zum Endziel hatte, sondern für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung in der Community (im Quartier) kämpfte. Der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung schlossen sich in den 70er Jahren die Frauen-, Homosexuellen und Behindertenbewegung an. In ärmlichen Gebieten auf der ganzen Welt haben sich Frauenorganisationen gebildet, um das Thema „Gewalt gegen Frauen“ zu enttabuisieren und den Frauen einen Rückhalt zu bieten. Aus der „Kultur des Schweigens“ wurde eine „Kultur des Aufrufs“.



Empowerment in der Psychiatrie

Der US-amerikanische Psychologieprofessor Julian Rappaport theoretisierte weiter über Empowerment. Er stammt aus der Gemeindepsychologie, bei der das Augenmerk mehr auf das alltägliche Umfeld des Patienten als auf seine psychischen Probleme gerichtet wird. Gerade bei Psychiatrie-Patienten aus der Unterschicht realisierten viele Psychologen, dass nicht eine intellektuelle Psychotherapie, sondern eine Verbesserung der ärmlichen, sozialen Verhältnisse den grössten Therapieerfolg mit sich brachte.



Unzählige Definitionen

Eine der Definitionen Rappaports lautet: „Empowerment wird als Prozess aufgefasst: ein Mechanismus, bei dem Menschen, Organisationen und Gruppen Kontrolle über ihr Leben gewinnen.“  (Empowerment is viewed as a process: the mechanism by which people, organizations, and communities gain mastery over their lives.)

Unzählige Empowerment-Theoretiker versuchten noch schönere Definitionen zu formulieren. Die soziale und politische Dimension gerät immer mehr in den Hintergrund. Empowerment hat dadurch immer weniger direkt mit der Teilnahme am demokratischen Prozess zu tun und mehr mit der Erzeugung einer persönlichen Erfolgsgeschichte. So schreibt Wolfang Stark, deutscher Professor für Organisationspsychologie: „Empowermentprozesse erzählen Geschichten von Menschen und ihren Zusammenschlüssen, denen es gelungen ist, ihre eigenen Ressourcen und Stärken zu erkennen und diese in soziale Handlungen umzusetzen.“

In Management-Ratgebern braucht man den Begriff zur individualistischen Selbstverwirklichung, was manche als zu viel Erfolgsdruck empfinden werden. Der US-amerikanische Unternehmer und Bestseller-Autor Ken Blanchard beschreibt es so: „Beim Empowerment geht es nicht darum, den Leuten „Macht“ zu verleihen. Die Menschen haben schon genug „Macht“ in der Fülle ihres Wissens und ihrer Motivation, um ihren Job hervorragend zu machen. Beim Empowerment geht es darum, diese Power rauszulassen.“ (Empowerment is not giving people power, people already have plenty of power, in the wealth of their knowledge and motivation, to do their jobs magnificently. We define empowerment as letting this power out.)

Eine elegante Definition, die den Wunsch vieler Menschen nach (mehr) Freiheit und Selbstbestimmung ausdrückt, findet man bei Norbert Herriger, deutscher Professor für Soziologie: "Empowerment ist so programmatisches Kürzel für eine veränderte helfende Praxis, deren Ziel es ist, die Menschen zur Entdeckung ihrer eigenen (vielfach verschütteten) Stärken zu ermutigen, ihre Fähigkeiten zu Selbstbestimmung und Selbstveränderung zu stärken und sie bei der Suche nach Lebensräumen und Lebenszukünften zu unterstützen, die einen Zugewinn von Autonomie, sozialer Teilhabe und eigenbestimmter Lebensregie versprechen."

Empowerment als Etikettenschwindel

Bei all dieser akademischen Theoretisierung geriet die eigentliche Umsetzung immer mehr in den Hintergrund. Viele Entwicklungsorganisationen und Firmen schmücken sich heute noch mit wohlklingenden Strategien und flachen Hierarchien. Bei einem wirklichen Wechsel von top-down zu bottom-up krebsen aber die meisten zurück.

So beschreibt Julika Loss, deutsche Professorin für Medizinische Soziologie, den Begriff „Empowerment“ nicht nur als schwer zu greifen, auch schon weil das englische „power“ positiv, das deutsche Wort „Macht“ negativ konnotiert ist. Die Idee eckt bei vielen vom Establishment an und ist unbequem für „etablierte Experten“, da sie etwas von ihrer Macht (an Angestellte) abgeben müssen und sich gar mit Forderungen (von unten) konfrontiert sehen müssen. Der Prozess ist dazu noch unberechenbar, langwierig und aufwendig – „aufwendiger als beispielsweise das Entwerfen, Gestalten und Drucken einer Hochglanzbroschüre“.

Viele Feministen und Aktivisten haben diese Verflüchtigung der anfänglichen, gut gemeinten Idee bemerkt – ähnlich wie die Gesellschaftskritik von Marx und Engels von Stalin und Mao instrumentalisiert, dann degeneriert wurde, um eine kommunistische Diktatur zu vermarkten und schön zu reden. Der Begriff „Empowerment“ wird jetzt immer noch sowohl von konservativen, neoliberalen Machthabern, als auch von Aktivisten der Minderheiten übernommen, in der Schule ebenso wie in der Entwicklungspolitik, im Strafvollzug, im Personalmanagement oder in der Sozialhilfe - ohne sich gross etwas dabei zu denken.


Dr. Brigitta Bernet, schweizerische Empowerment-Forscherin sagt dazu: „Empowerment ist eine Konsenskategorie. Sie hat in ganz unterschiedlichen Feldern Erfolg, weil Selbstbestimmung in der Moderne ein Wert von eminenter Bedeutung ist. In der neoliberalen Konstellation ist Empowerment eine Strategie, um Kosten zu sparen; im Unternehmen, aber auch im Sozialstaat, der sich zunehmend am Modell des Unternehmens orientiert.“ Weiter sieht sie auch eine weitere Gefahr: “Im Unternehmen wird die Machtfrage nur mehr selten gestellt. Das hat mit dem schwindenden Einfluss der Gewerkschaften zu tun. Es wäre aber äusserst wichtig, dass die Beschäftigten hier, wo Empowerment so gross geschrieben wird, ein kritisches Bewusstsein darüber bilden, in was für einem Macht- und Verwertungszusammenhang sie eigentlich wozu (und wozu nicht) „empowered“ werden sollen.“

Eine Rückbesinnung auf eine echte nachhaltige strukturelle Stärkung der Schwachen ist gefordert. Ermutigende Coaching-Programme bieten unterstützende Begleitung in schweren Zeiten. Bei Workshops kann man neue und eingerostete Fähigkeiten stärken und das Netzwerk erweitern. Es geht heutzutage nicht mehr um eine Weltrevolution, sondern zuerst einmal um Mut und Eigeninitiative.

Heute ist der Anfang einer neuen Bewegung - das Ende der Machtlosigkeit in Griffnähe.


>>>Mehr zur Freires Befreiungspädagogik: http://www.grin.com/de/e-book/206687/die-befreiungspaedagogik-paulo-freires-und-ihre-uebertragbarkeit-auf-die


Wichtigste Quelle für diesen Artikel:  
Empowerment: The History of a Key Concept in Contemporary Development Discourse
(by Anne-Emmanuèle Calvès, University of Montreal)
>>> Link


Other Freire-Fans around the world (nice short overview):


Freire's Ideas works for Women in India (impressive!):


Chomsky on Freire (excellent!):


Inspiring Movie on Empowerment (North Country (2015) with Charlize Theron):